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Kraftwerk vs. Sabrina Setlur/Moses Pelham – Die „Metall auf Metall“-Entscheidung des BVerfG

Kategorien: Medienrecht, News, Urheberrecht

1977 veröffentlichten die Elektro-Pioniere „Kraftwerk“ als Teil des Albums „Trans Europa Express“ den Titel „Metall auf Metall“. 1997 erschien das Album „Die neue S-Klasse“ der Rapperin Sabrina Setlur. Der darauf befindliche Song „Nur mir“ enthielt eine der Tonspur des Titels „Metall auf Metall“ entnommene Rhythmussequenz von zwei Sekunden, wobei die Sequenz in der Geschwindigkeit um 5 % verlangsamt fortlaufend wiederholt wurde („Loop“).

Kraftwerk sahen durch die Übernahme der Rhythmussequenz ihre Rechte an dem Titel „Metall auf Metall“ verletzt und erhoben Klage vor den Zivilgerichten gegen die Komponisten/Produzenten. Sie stützten ihre Klage unter anderem auf eine Verletzung ihrer Rechte als Tonträgerhersteller der Aufnahme.

Nachdem der (1999 begonnene!) Rechtsstreit vom Landgericht Hamburg bis zum Bundesgerichtshof (BGH) ging, hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nun das (vorerst) letzte Wort.
Die Entscheidung des BVerfG (Leitsätze):
1. Die von Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 Grundgesetz (GG) geforderte kunstspezifische Betrachtung verlangt, die Übernahme von Ausschnitten urheberrechtlich geschützter Gegenstände als Mittel künstlerischen Ausdrucks und künstlerischer Gestaltung anzuerkennen. Steht dieser Entfaltungsfreiheit ein Eingriff in Urheber- oder Leistungsschutzrechte gegenüber, der die Verwertungsmöglichkeiten nur geringfügig beschränkt, so können die Verwertungsinteressen der Rechteinhaber zu Gunsten der Kunstfreiheit zurückzutreten haben.
2. Der Schutz des (geistigen) Eigentums kann nicht dazu führen, die Verwendung von gleichwertig nachspielbaren Samples eines Tonträgers generell von der Erlaubnis des Tonträgerherstellers abhängig zu machen, da dies dem künstlerischen Schaffensprozess nicht hinreichend Rechnung trägt.
Nach dem vorangegangenen Urteil des BGH standen sich zwei Rechte gegenüber, nämlich zu einen das Leistungsschutzrecht der Tonträgerhersteller aus § 85 Urhebergesetz (UrhG) und zum anderen das Recht der freien Benutzung nach § 24 UrhG. Diese Vorschriften wirken zusammen, begrenzen dabei aber einander. Hiervon betroffen ist sowohl das Eigentumsrecht des Tonträgerherstellers (Art. 14 Absatz 1 GG) als auch die Kunstfreiheit des Benutzers (Art. 5 Absatz 3 S. 1 GG) betroffen. Beide Vorschriften lassen nach der nun ergangenen Entscheidung des BVerfG genügend Raum, um das Eigentumsrecht und die Kunstfreiheit im Rahmen der Auslegung durch die Gerichte in einen angemessen Ausgleich zu bringen. Ein solcher Ausgleich war den Gerichten der Vorinstanz nach Ansicht des BVerfG jedoch nicht gelungen, da es die Kunstfreiheit nicht hinreichend gewürdigt sah.

Hierbei gibt das BVerfG zu bedenken, dass die Tonträgerhersteller sich schlicht weigern könnten, eine Lizenz einzuräumen oder sie nur zu extrem hohen Preisen verkaufen könnten. Auf diese Weise könnten letztendlich sie darüber entscheiden, ob neue Kunst erschaffen wird. Das sei nicht zu rechtfertigen – auch nicht mit dem Eigentumsrecht des Tonträgerherstellers und deshalb auch nicht hinnehmbar. Der Tonträgerhersteller erleide nämlich keinen Nachteil, wenn jemand seine Sequenz übernimmt. Außerdem habe der Gesetzgeber mit dem Leistungsschutzrecht ein ganz anders Ziel verfolgt: Der Tonträgerhersteller sollte vor Piraterie geschützt werden und nicht an „Sampleschnipsel“-Lizenzen verdienen. Schließlich sei nicht einfach und meist sehr kostspielig, vergleichbare Tonfolgen zu schaffen. Damit führe dieses Kriterium dazu, dass der Künstler sich im Zweifel nicht frei entfalten könne. Gerade dies gebiete aber die verfassungsrechtliche gewährte Kunstfreiheit.

Für das weitere Verfahren hat das BVerfG darauf hingewiesen, dass der BGH entscheiden kann, durch Auslegung welcher Vorschrift er ein verfassungskonformes Ergebnis erreicht. Zudem regt das BVerfG an, die Frage der Zulässigkeit des Samplings dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen.
Das letzte Wort ist deshalb vermutlich noch lange nicht gesprochen.
BVerfG, Urteil vom 31.5.2016 (1 BvR 1585/13)

BGH zur Darlegungslast des Anschlussinhabers für durch Familienangehörige begangene Urheberrechtsverletzungen

Kategorien: News, Urheberrecht

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einem Urteil mit der Frage beschäftigt, ob der Inhaber eines Internetanschlusses für von Ehegatten oder Familienangehörigen begangene Urheberrechtsverletzungen haftet.
In der Entscheidung des BGH ging es um die Reichweite der dem Inhaber eines Internetanschlusses im Falle einer über seinen Anschluss begangenen Urheberrechtsverletzung obliegenden sekundären Darlegungslast.

Der BGH hat dazu entschieden, dass bei der Bestimmung der Reichweite der dem Inhaber eines Internetanschlusses im Falle einer über seinen Anschluss begangenen Urheberrechtsverletzung obliegenden sekundären Darlegungslast zur Nutzung des Anschlusses durch andere Personen auf Seiten des Urheberrechtsinhabers die Eigentumsgrundrechte gemäß Artikel 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und Artikel 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zu berücksichtigen sind. Handele es sich bei den Personen, die den Anschluss mitgenutzt haben, um den Ehegatten oder Familienangehörige, so wirke zugunsten des Anschlussinhabers der grundrechtliche Schutz von Ehe und Familie (Artikel 7 EU- Grundrechtecharta, Artikel 6 Abs. 1 GG). Außerdem wäre es dem Inhaber eines privaten Internetanschlusses regelmäßig nicht zumutbar, die Internetnutzung seines Ehegatten einer Dokumentation zu unterwerfen, um im gerichtlichen Verfahren seine täterschaftliche Haftung abwenden zu können. Ebenfalls unzumutbar wäre es regelmäßig, dem Anschlussinhaber die Untersuchung des Computers seines Ehegatten im Hinblick auf die Existenz von Filesharing-Software abzuverlangen.

BGH, Urteil vom 06.10.2016 (Az. I ZR 154/15 – „Afterlife“)

Anmerkung: Der BGH hat in dieser Entscheidung die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers konkretisiert, wenn Internetanschlüsse auch von Familienangehörigen genutzt werden. Die Entscheidung ist schon deshalb zu begrüßen, weil der BGH darin anerkennt, dass eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers jedenfalls nicht so weit gehen darf, dass damit ein unzumutbarer Eingriff in den grundrechtlich geschützten Bereich von Ehe und Familie verbunden ist. Einen „Freibrief“ für illegales Filesharing stellt die Entscheidung indessen nicht dar, denn der BGH nimmt mit seiner Entscheidung zwar bewusst in Kauf, dass seine Entscheidung den Nachweis von Urheberrechtsverletzungen in bestimmten Fällen erschwert, die Entscheidung bedeutet aber nicht, dass für Anschlussinhaber der bloße Verweis auf eine mögliche Nutzung des Internetanschlusses durch Familienangehörige ausreicht, der sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers zu entsprechen.

EuGH zu Rechtswahlklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Online-Shops

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich einem Urteil mit der Zulässigkeit von so genannten Rechtswahlklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Online-Shops beschäftigt.

In der Entscheidung des EuGH ging es um die Klausel in den AGB von Amazon, dass auf die vertraglichen Beziehungen von Amazon zu den Kunden von Amazon ausschließlich luxemburgisches Recht anwendbar sein sollte.

Der EuGH hat dazu entschieden, dass eine in allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Gewerbetreibenden enthaltene Klausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde und nach der auf einen auf elektronischem Weg mit einem Verbraucher geschlossenen Vertrag das Recht des Mitgliedstaats anzuwenden ist, in dem der Gewerbetreibende seinen Sitz hat, missbräuchlich ist, sofern sie den Verbraucher in die Irre führt, indem sie ihm den Eindruck vermittelt, auf den Vertrag sei nur das Recht dieses Mitgliedstaats anwendbar, ohne ihn darüber zu unterrichten, dass er nach Art. 6 Abs. 2 der Rom-I-Verordnung (Rom-I-VO; VO (EG) Nr. 593/2008) auch den Schutz der zwingenden Bestimmungen des Rechts genießt, das ohne diese Klausel anzuwenden wäre.

EuGH, Urteil vom 28.07.2016 (Az. C-191/15 – „Verein für Konsumenteninformation / Amazon EU Sàrl“)

Anmerkung: Auswirkungen auf die deutsche Rechtsprechung hat diese Entscheidung voraussichtlich nicht, denn der Bundesgerichtshof (BGH) hat bereits 2012 (BGH, Urteil vom 19. Juli 2012, Az. I ZR 40/11 – „Pharmazeutische Beratung über Call-Center“), ebenfalls unter Verweis auf die Rom-I-VO, im Fall einer ausländischen Versandapotheke, entschieden, dass derartige Rechtswahlklauseln inländische (deutsche) Verbraucher unangemessen benachteiligen können. Rechtswahlklauseln in AGB von Online-Shops, die eine ausschließliche Anwendbarkeit nationalen (deutschen oder ausländischen) Rechts regeln, sind und bleiben daher jedenfalls dann sehr riskant, wenn sich das Angebot eines Online-Shops auch an Verbraucher außerhalb des Landes richtet, in dem der Gewerbetreibende seinen Sitz hat. Wer eine solche Regelung in den AGB seines Online-Shops hat, setzt sich dadurch der Gefahr aus, aus wettbewerbsrechtlichen Gründen abgemahnt zu werden.