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Zur Haftung des Anschlussinhabers für Urheberrechtsverletzungen über ungesichertes WLAN

Urteil vom 26. Juli 2018 – I ZR 64/17 – Dead Island
Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Betreiber eines Internetzugangs über WLAN und eines Tor-Exit-Nodes nach der seit dem 13. Oktober 2017 geltenden Neufassung des § 8 Abs. 1 Satz 2 des Telemediengesetzes (TMG) zwar nicht als Störer für von Dritten über seinen Internetanschluss im Wege des Filesharings begangene Urheberrechtsverletzungen auf Unterlassung haftet. Jedoch kommt ein Sperranspruch des Rechtsinhabers gemäß § 7 Abs. 4 TMG nF in Betracht.

Worum ging es?
Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Computerspiel „Dead Island“. Der Beklagte unterhält einen Internetanschluss. Am 6. Januar 2013 wurde das Programm „Dead Island“ über den Internetanschluss des Beklagten in einer Internet-Tauschbörse zum Herunterladen angeboten. Die Klägerin mahnte den Beklagten im März 2013 ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Zuvor hatte die Klägerin den Beklagten zweimal wegen im Jahr 2011 über seinen Internetanschluss begangener, auf andere Werke bezogener Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing anwaltlich abgemahnt.
Der Beklagte hat geltend gemacht, selbst keine Rechtsverletzung begangen zu haben. Er betreibe unter seiner IP-Adresse fünf öffentlich zugängliche WLAN-Hotspots und drahtgebunden zwei eingehende Kanäle aus dem Tor-Netzwerk („Tor-Exit-Nodes“).

Bisheriger Prozessverlauf:
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln aufgegeben wird, Dritte daran zu hindern, das Computerspiel oder Teile davon der Öffentlichkeit mittels seines Internetanschlusses über eine Internettauschbörse zur Verfügung zu stellen.

Die Entscheidung des BGH:
Der BGH hat auf die Revision des Beklagten das Urteil des OLG hinsichtlich der Verurteilung zur Unterlassung aufgehoben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen. Die gegen die Zuerkennung der Abmahnkostenforderung gerichtete Revision hat der BGH zurückgewiesen.
Der BGH hat entschieden, dass der Beklagte nach dem hierfür maßgeblichen, im Zeitpunkt der Abmahnung geltenden Recht zum Ersatz der Abmahnkosten verpflichtet ist, weil er als Störer für die Rechtsverletzung Dritter haftet. Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, sein WLAN durch den Einsatz des im Kaufzeitpunkt aktuellen Verschlüsselungsstandards sowie eines individuellen Passworts gegen missbräuchliche Nutzung durch Dritte zu sichern. Für den Fall der privaten Bereitstellung durch den Beklagten bestand diese Pflicht ohne Weiteres bereits ab Inbetriebnahme des Anschlusses. Sofern der Beklagte den Internetzugang über WLAN gewerblich bereitgestellt hat, war er zu diesen Sicherungsmaßnahmen verpflichtet, weil er zuvor bereits darauf hingewiesen worden war, dass über seinen Internetanschluss im Jahr 2011 Urheberrechtsverletzungen im Wege des Filesharings begangen worden waren. Der Annahme einer Störerhaftung steht es nicht entgegen, dass das im Hinweis benannte Werk nicht mit dem von der erneuten Rechtsverletzung betroffenen Werk identisch ist. Die Haftungsvoraussetzungen liegen ebenfalls vor, wenn die Rechtsverletzung über den vom Beklagten betriebenen Tor-Exit-Node erfolgt ist. Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, der ihm bekannten Gefahr von Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing mittels technischer Vorkehrungen entgegenzuwirken. Nach den revisionsrechtlich einwandfreien Feststellungen des Oberlandesgerichts ist die Sperrung von Filesharing-Software technisch möglich und dem Beklagten zumutbar.
Die Verurteilung zur Unterlassung hat der BGH jedoch aufgehoben, weil nach der seit dem 13. Oktober 2017 geltenden Neufassung des § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG der Vermittler eines Internetzugangs nicht wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers auf Schadensersatz, Beseitigung oder Unterlassung einer Rechtsverletzung in Anspruch genommen werden kann. Ist eine Handlung im Zeitpunkt der Revisionsentscheidung nicht mehr rechtswidrig, kommt die Zuerkennung eines Unterlassungsanspruchs nicht in Betracht.

Gegen die Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG nF bestehen keine durchgreifenden europarechtlichen Bedenken. Zwar sind die Mitgliedstaaten gemäß Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG verpflichtet, zugunsten der Rechtsinhaber die Möglichkeit gerichtlicher Anordnungen gegen Vermittler vorzusehen, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden. Der deutsche Gesetzgeber hat die Unterlassungshaftung des Zugangsvermittlers in § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG nF zwar ausgeschlossen, jedoch zugleich in § 7 Abs. 4 TMG nF einen auf Sperrung des Zugangs zu Informationen gerichteten Anspruch gegen den Betreiber eines Internetzugangs über WLAN vorgesehen. Diese Vorschrift ist richtlinienkonform dahin fortzubilden, dass der Sperranspruch auch gegenüber den Anbietern drahtgebundener Internetzugänge geltend gemacht werden kann. Der Anspruch auf Sperrmaßnahmen ist nicht auf bestimmte Sperrmaßnahmen beschränkt und kann auch die Pflicht zur Registrierung von Nutzern, zur Verschlüsselung des Zugangs mit einem Passwort oder – im äußersten Fall – zur vollständigen Sperrung des Zugangs umfassen.
Zur Prüfung der Frage, ob der Klägerin gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Sperrung von Informationen gemäß § 7 Abs. 4 TMG nF zusteht, hat der Bundesgerichtshof die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf – Urteil vom 13. Januar 2016 – 12 O 101/15, OLG Düsseldorf – Urteil vom 16. März 2017 – I-20 U 17/16

Anmerkung:
Zwar ging es eigentlich wieder nur um einen Filesharing-Altfall, doch dieser Altfall dürfte die leidigen Filesharing-Abmahnungen bei ungesichertem WLAN und damit verbundenen Urheberrechtsverletzungen endgültig beerdigen. Denn mit diesem Urteil wurde nun über diesen Fall hinaus bestätigt, dass die Abschaffung der Störerhaftung aus dem seit Herbst 2017 erneuerten TMG mit Europarecht vereinbar ist. Die Begründung: Die geschädigten Firmen könnten den WLAN-Betreiber immer noch gerichtlich zur Sperrung bestimmter Inhalte verpflichten. Damit seien ihre Urheberrechte ausreichend geschützt. Ob das jedoch gelebte Praxis wird, dürfte zu bezweifeln sein.
Nach dem neuen TMG lässt sich aber weder ein Unterlassungs- noch ein Schadenersatzanspruch ableiten. Werden Urheberrechte verletzt, sind aber eben Nutzungssperren möglich. Wie solche Sperren konkret aussehen könnten, sagt der BGH aber nicht, dort heißt es knapp: Die Sperrung von Filesharing-Software sei technisch möglich und dem Beklagten zumutbar.

BGH erklärt so genannte Adblocker auf Internetseiten für zulässig

Der u.a. für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat urteilte am 19.04.2018, dass das Angebot des Adblocker (Werbeblocker-)Programms „AdBlock Plus“ nicht gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verstößt (Urteil vom 19.04.2018 – I ZR 154/16).

Sachverhalt:

Die Klägerin (Axel Springer) stellt ihre redaktionellen Inhalte auch auf eigenen Internetseiten zur Verfügung. Dieses Angebot ist werbefinanziert, d.h. mit dem Entgelt, das sie von anderen Unternehmen für die Veröffentlichung von Werbung auf diesen Internetseiten erhält.

Die Beklagte vertreibt das Computerprogramm AdBlock Plus, mit dem Werbung auf Internetseiten durch technische Maßnahmen unterdrückt werden kann (einen so genannten Adblocker). Dabei ist es so, dass Werbung, die von den bestimmten Filterregeln erfasst wird, die in einer sogenannten Blacklist enthalten sind, automatisch blockiert werden und dadurch dem Internetnutzer nicht angezeigt wird. Die Beklagte bietet Unternehmen aber auch die Möglichkeit, ihre Werbung von dieser Blockade durch Aufnahme in eine sogenannte Whitelist ausnehmen zu lassen. Hierbei ist Bedingung, dass diese Werbung die von der Beklagten gestellten Anforderungen an eine „akzeptable Werbung“ erfüllt und die Unternehmen die Beklagte am Umsatz beteiligen.

Die Klägerin hielt den Vertrieb des Adblockers durch die Beklagte für wettbewerbswidrig. Sie hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen und hilfsweise das Verbot beantragt, ein solches Computerprogramm anzubieten, wenn und soweit Werbung nur nach von der Beklagten vorgegebenen Kriterien und gegen Zahlung eines Entgelts der Klägerin nicht unterdrückt wird.

Die Entscheidung des BGH:

Nach Auffassung des BGH stellt das Angebot eines Adblockers keine gezielte Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG dar, da eine Verdrängungsabsicht nicht vorliegt. Die Beklagte verfolgt in erster Linie die Beförderung ihres eigenen Wettbewerbs. Sie erzielt Einnahmen, indem sie gegen Entgelt die Möglichkeit der Freischaltung von Werbung durch die Aufnahme in die Whitelist eröffnet. Das Geschäftsmodell der Beklagten setzt demnach die Funktionsfähigkeit der Internetseiten der Klägerin voraus. Die Beklagte wirkt mit dem Angebot des Programms nicht unmittelbar auf die von der Klägerin angebotenen Dienstleistungen ein. Der Einsatz des Programms liegt in der autonomen Entscheidung der Internetnutzer. Die mittelbare Beeinträchtigung des Angebots der Klägerin ist nicht unlauter. Das Programm unterläuft keine gegen Werbeblocker gerichteten Schutzvorkehrungen des Internetangebots der Klägerin. Auch die Abwägung der Interessen der Betroffenen führt nach Ansicht des BGH nicht zu dem Ergebnis, dass eine unlautere Behinderung der Klägerin vorliegt. Der Klägerin ist auch mit Blick auf das Grundrecht der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) zumutbar, den vom Einsatz des Programms ausgehenden Beeinträchtigung zu begegnen, indem sie die ihr möglichen (technischen) Abwehrmaßnahmen ergreift. Dazu gehört etwa das Aussperren von Nutzern, die nicht bereit sind, auf den Einsatz des Werbeblockers zu verzichten.

Es liegt auch keine allgemeine Marktbehinderung vor, weil keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Geschäftsmodell der Bereitstellung kostenloser Inhalte im Internet zerstört wird.

Das Angebot des Adblocker stellt auch – anders als das Berufungsgericht angenommen hat – keine aggressive geschäftliche Handlung gemäß § 4a UWG gegenüber Unternehmen dar, die an der Schaltung von Werbung auf den Internetseiten der Klägerin interessiert sind. Es fehlt an einer unzulässigen Beeinflussung dieser Marktteilnehmer, weil die Beklagte eine ihr durch das technische Mittel des Werbeblockers etwaig zukommende Machtposition jedenfalls nicht in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit der Marktteilnehmer zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt.

Vorinstanzen:

LG Köln – Urteil vom 29. September 2015 – 33 O 132/14; OLG Köln – Urteil vom 24. Juni 2016 – 6 U 149/15

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

  • 4 Nr. 4 UWG

Unlauter handelt, wer Mitbewerber gezielt behindert.

  • 4a UWG

(1) Unlauter handelt, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers erheblich zu beeinträchtigten durch

Belästigung,

Nötigung einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt,

unzulässige Beeinflussung.

Eine unzulässige Beeinflussung liegt vor, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich beeinträchtigt.

(2) Bei der Feststellung, ob eine geschäftliche Handlung aggressiv im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 ist, ist abzustellen auf

1. Zeitpunkt, Ort, Art oder Dauer der Handlung;

2. die Verwendung drohender oder beleidigender Formulierungen oder Verhaltensweisen;

3. die bewusste Ausnutzung von konkreten Unglückssituationen oder Umständen von solcher Schwere, dass sie das Urteilsvermögen des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers beeinträchtigen, um dessen Entscheidung zu beeinflussen;

4. belastende oder unverhältnismäßige Hindernisse nichtvertraglicher Art, mit denen der Unternehmer den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer an der Ausübung seiner vertraglichen Rechte zu hindern versucht, wozu auch das Recht gehört, den Vertrag zu kündigen oder zu einer anderen Ware oder Dienstleistung oder einem anderen Unternehmer zu wechseln (…)

Anmerkung: Der klagende Verlag (Axel Springer) will nach eigenen Angaben das Urteil so nicht akzeptieren und hat unmittelbar nach der Urteilsverkündung Verfassungsbeschwerde angekündigt. Neben der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts glaubt der Konzern noch einen anderen rechtlichen Trumpf im Ärmel zu haben. So hat die Klage unter Berufung auf das Wettbewerbsrecht zwar keinen Erfolg gehabt. Im Laufe des Verfahrens hatte Axel Springer von Gutachtern aber die Funktion von Adblock Plus genau untersuchen lassen und ist der Überzeugung, dass das Programm den urheberrechtlich geschützten Quelltext der Webseite umschreibe und damit verändere. Dies stelle einen Verstoß gegen das Urheberrecht dar, den der Verlag nun auch gerichtlich verfolgen will. Ob dieser Trumpf ein As ist, wird sich aber erst noch zeigen. Adblocker sind und bleiben nun einmal bei Internetseitenbetreibern.

BGH zu Bonusaktionen bei der Nutzung von Smartphone-Apps – mytaxi

In einem aktuellen Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass Bonusaktionen bei der Vermittlung von Taxi-Dienstleistungen bei der Nutzung von Smartphone-Apps – in diesem Fall der App mytaxi – nicht gegen die tarifliche Preisbindung für Taxiunternehmer verstoßen.

Die Klägerin des Rechtstreits ist ein genossenschaftlicher Zusammenschluss von Taxizentralen in Deutschland, der die Taxi-Bestell-App „Taxi Deutschland“ betreibt. Die Beklagte vermittelt Taxi-Dienstleistungen über die Smartphone-App mytaxi.

Streitgegenständlich waren vier Bonusaktionen von mytaxi, bei denen registrierte Nutzer lediglich die Hälfte des regulären Fahrpreises zu zahlen hatten. Die andere Hälfte des Fahrpreises erhielt der Taxifahrer abzüglich Vermittlungsgebühren von der Beklagten.

Der BGH hat damit die anderslautenden Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main aufgehoben. Das Landgericht hatte der Klage noch stattgegeben und die dagegen beim Oberlandesgericht eingelegte Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH hat entschieden, dass die Bonusaktionen von mytaxi nicht gegen die tarifliche Preisbindung für Taxiunternehmer verstoßen. Der Anbieter der App mytaxi selbst sei kein Taxiunternehmer, für den die Festpreise gelten würden. Die Tätigkeit von mytaxi beschränke sich auf die Vermittlung von Fahraufträgen, die von unabhängigen Taxiunternehmen selbständig durchgeführt werden. Diese Taxiunternehmen könnten uneingeschränkt die Dienste anderer Vermittler, wie etwa der Klägerin, in Anspruch nehmen.

Der Anbieter von mytaxi hafte auch nicht als Anstifter oder Gehilfe für Wettbewerbsverstöße der die Vermittlungsleistungen in Anspruch nehmenden Taxiunternehmer. Die Beteiligung der Taxiunternehmer an den Bonusaktionen sei mit dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) vereinbar.

Die im PBefG enthaltenen Bestimmungen zur Tarifpflicht im Taxiverkehr wären zwar Marktverhaltensregelungen im wettbewerbsrechtlichen Sinne und der Taxiunternehmer dürfe daher keinen Nachlass auf die tariflichen Festpreise gewähren. Werde der Festpreis vollständig an ihn gezahlt, liege jedoch kein Verstoß gegen die Tarifpflicht vor. Bei der Prüfung eines Verstoßes gegen die Tarifpflicht komme es daher darauf an, ob das Vermögen des Taxiunternehmers nach Beförderung des Fahrgastes in Höhe des Festpreises vermehrt werde. Wie der Fahrgast das Entgelt finanziere, sei ohne Bedeutung. Bei den Aktionen von mytaxi erhielten die Taxiunternehmen den vollen tariflichen Festpreis. Soweit mytaxi dabei eine Provision von 7% des Fahrpreises abziehe, handele es sich um eine zulässige Vergütung der Vermittlungsleistung.

Auch Sinn und Zweck der Tarifpflicht des Taxiunternehmers würden kein anderes Ergebnis gebieten. Die Funktionsfähigkeit des Taxiverkehrs werde durch die beanstandeten Werbeaktionen von mytaxi nicht beeinträchtigt. Solange den Taxiunternehmen ausreichende Vermittlungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden, bestehe kein Grund, den Wettbewerb im Bereich der Taxivermittlung im Interesse der Funktionsfähigkeit des Taxiverkehrs einzuschränken.

Auch eine unzulässige gezielte Behinderung der Klägerin durch mytaxi liege nicht vor. Die nicht kostendeckende Erbringung einer Dienstleistung sei nur unter bestimmten Voraussetzungen verboten, und zwar insbesondere dann, wenn sie zur Verdrängung von Mitbewerbern geeignet wäre und in Verdrängungsabsicht erfolge. Es fehle jedoch eine Eignung zur Verdrängung, weil die Aktionen von mytaxi sowohl räumlich auf mehrere deutsche Großstädte als auch zeitlich beschränkt waren.

BGH, Urteil vom 29.03.2018 (Az. I ZR 34/17 – „My Taxi“)

Anmerkung: In seiner Entscheidung ist der BGH einer allzu restriktiven Anwendung wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen entgegen getreten. Taxigutscheine waren auch zuvor bereits grundsätzlich zulässig und auch weit verbreitet und es ist daher nicht ersichtlich, weshalb das bei Nutzung einer Smartphone-App anders sein sollte. Es ist jedenfalls nicht Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschriften des Personenbeförderungsgesetz (PBefG), den Preiswettbewerb gegenüber den Taxizentralen zu unterbinden, sondern dieses soll vielmehr den Taxiunternehmen einheitliche Vergütungen für dieselben Dienstleistungen garantieren. Dies wird aber schon deshalb sichergestellt, weil mytaxi über das eigene Abrechnungssystem den angeschlossenen Taxifahrern Vergütungen gewährt, die dem amtlich festgesetzten Taxitarif entsprechen.

Bewertungsportal jameda.de ist nicht neutral, BGH erlaubt Löschung von Arztprofil

Der BGH erlaubt Ärzten, die kein so genanntes (kostenpflichtiges) Premiumprofil bei jameda.de besitzen, unter bestimmten Bedingungen die Löschung ihres Profils vom Arztbewertungsportal, weil Jameda sich nicht neutral verhält.

BGH, Urteil vom 20.02.2018 (Az. VI ZR 30/17).

Die Parteien stritten um die Aufnahme der klagenden Ärztin in das Arztbewertungsportal der Beklagten, jameda GmbH. Nachdem die Vorinstanzen (LG Köln, Urteil vom 13.07.2016, Az. 28 O 7/16 und OLG Köln, Urteil vom 05.01.2017, Az. 15 U 198/15) die Klage der Ärztin zurückgewiesen hatten, musste sich der Bundesgerichtshof mit der Sache beschäftigen.

Worum ging es?

Die Beklagte betreibt unter der Internetadresse www.jameda.de ein Arztsuche- und Arztbewertungsportal, auf dem Informationen über Ärzte und Träger anderer Heilberufe kostenfrei von den Besuchern der Webseite abgerufen werden können. Als eigene Informationen der Beklagten werden die sogenannten „Basisdaten“ eines Arztes angeboten. Zu ihnen gehören in der Regel akademischer Grad, Name, Fachrichtung, Praxisanschrift, weitere Kontaktdaten sowie Sprechzeiten und ähnliche praxisbezogene Informationen. Daneben sind Bewertungen abrufbar, die Nutzer in Form eines Notenschemas, aber auch von Freitextkommentaren, abgegeben haben.

Die Beklagte bietet den Ärzten den kostenpflichtigen Abschluss von Verträgen an, bei denen ihr Profil – anders als das Basisprofil der nichtzahlenden Ärzte – mit einem Foto und zusätzlichen Informationen versehen wird. Des Weiteren  werden beim Aufruf des Profils eines nichtzahlenden Arztes als „Anzeige“ gekennzeichnet die Profilbilder unmittelbarer Konkurrenten gleicher Fachrichtung im örtlichen Umfeld mit Entfernungsangaben und Noten eingeblendet. Demgegenüber blendet die Beklagte bei Ärzten, die sich bei ihr kostenpflichtig registriert und ein „Premium-Paket“ gebucht haben, keine Konkurrenten auf deren Profil ein, eine Werbung für Dritte unterbliebt also in diesem Fall.

Die Klägerin ist Hautärztin. Auf dem Portal der Beklagten wird sie als Nichtzahlerin gegen ihren Willen ohne Bild mit ihrem akademischen Grad, ihrem Namen, ihrer Fachrichtung und ihrer Praxisanschrift geführt. Bei Abruf ihres Profils auf dem Portal der Beklagten erscheinen unter der Rubrik „Hautärzte (Dermatologen) (mit Bild) in der Umgebung“ weitere (zahlende) Ärzte mit demselben Fachbereich und mit einer Praxis in der Umgebung der Praxis der Klägerin. Dargestellt wird neben der Note des jeweiligen anderen Arztes die jeweilige Distanz zwischen dessen Praxis und der Praxis der Klägerin. Die Klägerin erhielt in der Vergangenheit mehrfach Bewertungen. Sie beanstandete durch ihre Rechtsanwälte im Jahr 2015 insgesamt 17 abrufbare Bewertungen auf dem Portal der Beklagten. Nach deren Löschung stieg die Gesamtnote der Klägerin von 4,7 auf 1,5.

Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage von der Beklagten die vollständige Löschung ihres Eintrags auf www.jameda.de, die Löschung ihrer auf der Internetseite www.jameda.de veröffentlichten Daten, auf Unterlassung der Veröffentlichung eines sie betreffenden Profils auf der genannten Internetseite.

Die Entscheidung des BGH:

Der BGH hat der Klage der Ärztin stattgegeben. Nach § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BDSG sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Dies war vorliegend der Fall. Der Senat hat mit Urteil vom 23. September 2014 – VI ZR 358/13 für das von der Beklagten betriebene Bewertungsportal bereits im Grundsatz entschieden, dass eine Speicherung der personenbezogenen Daten mit eine Bewertung der Ärzte durch Patienten zulässig ist (Jameda: Arzt muss Bewertungen grundsätzlich dulden).

Der vorliegende Fall unterscheidet sich vom damaligen in einem entscheidenden Punkt. Mit der vorbeschriebenen, mit dem Bewertungsportal verbundenen Praxis verlässt die Beklagte ihre Stellung als „neutraler“ Informationsvermittler. Während sie bei den nichtzahlenden Ärzten dem ein Arztprofil aufsuchenden Internetnutzer die „Basisdaten“ nebst Bewertung des betreffenden Arztes anzeigt und ihm mittels des eingeblendeten Querbalkens „Anzeige“ Informationen zu örtlich konkurrierenden Ärzten bietet, lässt die jameda GmbH auf dem Profil ihres „Premium“-Kunden – ohne dies dort dem Internetnutzer hinreichend offenzulegen und kenntlich zu machen – solche über die örtliche Konkurrenz unterrichtenden werbenden Hinweise nicht zu. Nimmt sich die Beklagte aber in dieser Weise zugunsten ihres Werbeangebots in ihrer Rolle als „neutraler“ Informationsvermittler zurück, dann kann sie ihre auf das Grundrecht der Meinungs- und Medienfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 10 EMRK) gestützte Rechtsposition gegenüber dem Recht der Klägerin auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten (Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK) auch nur mit geringerem Gewicht geltend machen. Das führt hier zu einem Überwiegen der Grundrechtsposition der Klägerin, so dass ihr ein „schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Speicherung“ ihrer Daten (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG) zuzubilligen ist, so dass damit Jameda seinerseits kein schutzwürdiges Interesse mehr an der Nutzung der Daten der Ärztin zuzubilligen ist.

Anmerkung:

Das Urteil ist ein Meilenstein für viele Ärzte. Denn so mancher Arzt möchte überhaupt nicht auf Portalen wie Jameda und anderen aufgeführt werden. In vielen Fällen können Ärzte nun die vollständige Löschung ihrer Daten und ihres Profils verlangen, wenn das Portal nicht als neutraler Informationsvermittler agiert, sondern die Daten des Arztes (auch) für werblich-kommerzielle Zwecke nutzt.

Für den Verbraucher dürfte das Urteil ebenfalls positive Auswirkungen haben. Jameda etc. werden jetzt umfangreiche Änderungen (auch am Geschäftsmodell) vornehmen müssen, um ein tatsächlich neutraler Informationsvermittler zu sein. Kommerzielle und werbliche Angebote dürften voraussichtlich in naher Zukunft streng und für den Verbraucher leicht erkennbar von dem reinen Informationsangebot zu trennen sein. Für Jameda und andere Arztportale könnte das Urteil zur Folge, dass zukünftig weitere Ärzte Löschungsanträge stellen werden. Zudem werden solche Bewertungsportale ihr strukturelles Angebot ihrer Internetseiten grundlegend ändern müssen, wenn sie wieder die Privilegien eines neutralen Informationsvermittlers für sich in Anspruch nehmen wollen.

Das Urteil dürfte aber auch auf Bewertungsportale für andere Branchen (Hotels, Restaurants, Rechtsanwälte) Einfluss haben. Die Tendenz ist klar erkennbar. Nur wer neutral Informationen anbietet und nicht zwischen zahlenden und nicht-zahlenden Mitgliedern unterscheidet, unterliegt der Meinungs- und Medienfreiheit.